Einblicke, Impulse und Inspiration aus Einkauf und Beschaffung
Was kosten eine Kilo Mercedes Benz?
Ja, ich meine das Auto.
Die Frage mag Dir etwas bei den Haaren herbeigezogen oder sogar abwegig vorkommen, sie ist es, aber nur ein wenig. Welcher Sinn steckt dahinter?
Es geht um ein klassisches Einkaufstool im Warengruppenmanagement. Das 𝐋𝐢𝐧𝐞𝐚𝐫 𝐏𝐞𝐫𝐟𝐨𝐫𝐦𝐚𝐧𝐜𝐞 𝐏𝐫𝐢𝐜𝐢𝐧𝐠. Dabei wird innerhalb einer Produktgruppe der Preis direkt proportional zu einem Leistungskriterium, beim Beispiel Mercedes das Gewicht, gestellt.
Je mehr Gewicht (Gussteile, Schmiedeteile) oder je höher die Leistung (Elektromotoren, Pumpen), desto höher der Preis pro Stück.
Voraussetzung für diese Betrachtungsweise ist eine gewisse Anzahl an gleichartigen Artikeln und vergleichbare Stückzahlen. Der Preis für einen ähnlichen Elektromotor, egal ob Euro pro Stück oder Euro pro Kilowatt, wird bei 10 Stück ein ganz anderer sein wie bei 10.000 Stück.
Was erhalten wir? Ein Preis-Leistung-Diagramm das Klartext spricht:
- Objektive Vergleichbarkeit, unabhängig von Lieferant oder Verhandlungsgeschick.
- Erkennen von Ausreißern, Exoten müssen nachvollziehbar begründet werden.
- Eine fundierte Basis für Preisgespräche, Listenpreise sind dann Ausgangspunkt, nicht Ende der Diskussion.
- Strategische Steuerung: Wir erkennen Skaleneffekte, Standardisierungspotenziale und Optimierungsfelder.
Und das jetzt beim Mercedeshändler auf`m Hof? Wirklich? Einen Versuch ist es wert, es hilft, wenn du etwas Verwirrung oder Ablenkung in der Verhandlung gebrauchen kannst. „Warum kostet die E-Klasse 6 Euro pro Kilogramm als die A-Klasse?“ führt das Gespräch vielleicht aus einer Sackgasse. Ein Schmunzeln ist dir auf jeden Fall sicher.
PS: Natürlich spielen Frachtkosten, Sonderausstattung, Zahlungskonditionen, Motorisierung, besondere Leistungsmerkmals, Gewährleistungsfristen, usw … eine Rolle, aber versuch es Dir zuerst mal einfach zu machen, kompliziert und schwierig macht`s dann schon der Vertrieb.
Was hat Piraterie mit Einkauf zu tun?
Die Verkäufer unter Euch werden jetzt sagen, das liegt doch auf der Hand. Ich glaube ihr verwechselt Freibeuter mit Ausbeuter. Lasst Euch überraschen …
Piratenlogik für den strategischen Einkäufer
🏴☠️ Ballast abwerfen! Alles, was Dich langsamer macht.
Tools, Lieferanten, Genehmigungsprozesse. Über Bord damit! Geht nicht so einfach? Damit wären wir schon beim nächsten Punkt: Mut
🏴☠️ Mut ist kein Zufall, sondern Einkaufsstrategie.
Vermutlich der Inbegriff für Piraterie: Mut, oder anders gesagt unternehmerisches Risiko. Piraten gingen große Risiken für große Beute ein. Sie kämpften aber nie für Ruhm oder Ehre. Auch im Einkauf geht es darum überschaubare Risiken für echten Mehrwert einzugehen.
🏴☠️ Unberechenbar, aber verlässlich.
Lieferanten sollen mit Dir rechnen, aber nie mit deiner Routine. Verhandlung ist kein Formularwesen, es ist Taktik. Theater. Timing.
🏴☠️ Aus Schiffen kann man keine Wagenburg bauen.
Einkauf braucht Bewegung. Strategie heißt: Segel setzen, nicht Schotten dicht machen.
🏴☠️ Eine Crew, ein Ziel.
Bedarfsträger, Technik, Qualität: Alle an Bord. Nur durch crossfunktionale Zusammenarbeit entstehen wirkliche Warengruppenstrategien.
🏴☠️ Kapere keine Fischkutter!
Immer den Blick für Wesentliche. Strategie heißt zu wissen, worauf man verzichtet und was man nicht tun. Nicht für jede kleine Warengruppe die perfekte Strategie. Nicht für jede Meinung eine Einkaufsrichtlinie. Nicht für jeden Preisunterschied ein Online-Verhandlung.
Warum Einkaufsstrategie mehr ist als Preisarbeit?
Viele Einkaufsabteilungen sind in der Preisarbeit und in der Verhandlung exzellent, nicht so auf der strategischen Ebene. Das liegt nicht am fehlenden Willen. Sondern daran, dass Einkaufsstrategie oft entweder zu abstrakt oder zu theoretisch erklärt wird. Meist wird zu groß angesetzt. Aber vieles in der Beschaffung hat seinen Kern in der Warengruppe, hier beginnt Strategiearbeit.
Strategischer Einkauf beginnt nicht mit einem Rabatt und endet nicht mit einem Vertrag. Er beginnt mit Fragen wie:
❓Welche strategischen Annahmen treffen wir regelmäßig – und was, wenn sie falsch sind?
❓Wo belohnen wir operative Exzellenz und gefährden damit strategische Weitsicht, intern sowie bei Lieferpartnern?
❓Wie kann ich Komplexität reduzieren, ohne Flexibilität und Nachvollziehbarkeit zu verlieren?
❓Welchen Einfluss hat diese Warengruppe auf unser Geschäftsmodell?
Wer diese und weitere Frage beantwortet, kann Preisarbeit viel gezielter führen, wird intern als Sparringspartner auf Augenhöhe und nicht mehr nur über Verhandlungsergebnisse wahrgenommen.
Eine Bündel an weiteren Impulsen und Fragestellungen findet sich, wenn man sich seiner Herausforderungen im Warengruppenmanagement bewusst wird. Einen ersten Überblick dazu finden Sie in der Graphik.